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Der Einband des Buches "St. Nikolaus für November" zeigt Santa Claus und ein Kind.

Die Wahrheit

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Teaser: Lebenslanger Bayer: Allgegenwärtig vor Weihnachten in Bayern ist das Gedicht „Heilige Nacht“ des nach wie vor beliebten Antisemiten Ludwig Thoma.

Ludwig Thomass antisemitisches Gedicht „Heilige Nacht“ bleibt in Bayern eine Weihnachtsradition – trotz seines umstrittenen Inhalts. Das 1908 veröffentlichte Werk, das die beschwerliche Reise von Maria und Josef nach Bethlehem schildert, wird in der Region noch immer weit verbreitet vorgetragen. Gleichzeitig stoßen Bemühungen, Straßen und Schulen mit seinem Namen umzubenennen, seit Jahren auf vehementen Widerstand.

Thomass Verszeilen wie „Im Wald is so staad / Alle Weg san vawaht / Alle Weg san vaschniebn / Is koa Steigl net bliebn“ beschreiben die verzweifelte Suche des Paares nach einer Herberge. Doch die antisemitischen Untertöne des Gedichts sowie Thomass dokumentierte Hetze in den „Miesbacher Anzeiger“ haben immer wieder Forderungen nach einer kritischen Aufarbeitung ausgelöst.

Der Schauspieler Enrico de Paruta führt „Heilige Nacht“ weiterhin jährlich in ausverkauften Häusern in München, Ingolstadt und Regensburg auf. Die ungebrochene Popularität der Lesungen steht im Kontrast zur wachsenden Skepsis gegenüber Thomass Erbe. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) lehnt eine Umbenennung von Thoma-Straßen kategorisch ab: „Solange ich Oberbürgermeister bin, wird das nicht passieren.“ Auch in Oberbayern scheiterten ähnliche Initiativen am Widerstand der Bevölkerung. Eltern haben oft keine andere Wahl, als ihre Kinder auf nach Thoma benannte Schulen zu schicken – Alternativen gibt es schlicht nicht. Während Proteste gegen andere Straßennamen, etwa die CSU-Kampagne von 1969 gegen die „Kurt-Eisner-Straße“, gut dokumentiert sind, konnten sich organisierte Bestrebungen zur Umbenennung von Thoma-Straßen bisher nicht durchsetzen.

Thomass Gedicht und sein Name sind tief in der bayerischen Kultur verankert – von Weihnachtslesungen bis hin zu öffentlichen Plätzen. Ohne breitere Unterstützung für einen Wandel dürften Straßen und Einrichtungen, die seinen Namen tragen, vorerst bestehen bleiben. Die Debatte zeigt jedoch die anhaltende Spannung zwischen Tradition und historischer Verantwortung.